"Blickt auf zum Herrn, und euer Gesicht wird leuchten!" (vgl. Ps 34,6) Im Hintergrund dieses Psalmwortes steht wohl das Bild des Mose. Wenn er auf dem Berg Sinai mit Gott redet, ging von der Herrlichkeit Gottes ein Leuchten auf sein Antlitz über. Die Israeliten fürchteten sich vor dem strahlenden Glanz seines Gesichtes. Er legte deshalb einen Schleier darüber, wenn er mit dem Volke sprach (Ex 34,29-35).
Paulus greift im zweiten Korintherbrief dieses Bild auf. Er ist skeptischer als der Verfasser des Buches Exodus und meint, dass Mose über sein Gesicht eine Hülle legte, damit die Israeliten das Verblassen des Glanzes nicht sehen sollten (2 Kor 3,13). Aber auch er geht davon aus, dass die Herrlichkeit Gottes das Antlitz des Mose zum Leuchten brachte.
Paulus wendet dieses Bild auf Christus an und auf unser Verhältnis zu ihm: "Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn" (2 Kor 3,18).
Im Sinne des Paulus dürfen wir das Psalmwort auf Christus anwenden: "Blickt auf zum Herrn, und euer Gesicht wird leuchten!" Es wird uns zur Einladung, anbetend auf den Herrn zu schauen. Wir dürfen damit die Bitte verbinden, dass der Glanz seiner Herrlichkeit auch unser Antlitz zum leuchten bringt. Wir bewundern die große Ausstrahlungskraft von Menschen wie Charles de Foucauld und Mutter Teresa. Wir wissen, wie wichtig es ihnen ist, in anbetender Kontemplation auf Christus zu schauen. Vielleicht liegt nicht zuletzt hierin die tiefste Quelle ihrer Ausstrahlung. In ihnen bewahrheitet sich das Wort: "Blickt auf zum Herrn, und euer Gesicht wird leuchten!"
Text: Bischof emeritus Reinhard Lettmann (+)
(aus dem Buch: Reinhard Lettmann: Christsein durch Einsicht und Entscheidung – Christusmeditationen.
Verlag Butzon&Bercker, Kevelaer 1984)
Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben